Michel Friedman, der vergangene Woche nach mehr als 40 Jahren aus der CDU ausgetreten ist, schließt eine Rückkehr in die Partei nicht aus. “Was letzte Woche passiert ist, mag ein Betriebsunfall gewesen sein und nicht gewollt, es mag aus Fahrlässigkeit oder im Affekt oder aus einer Emotion heraus geschehen sein. Aber das Motiv interessiert mich nicht”, sagte er dem “Tagesspiegel” (Mittwochausgabe).
“Im Ergebnis war es ein furchtbar schlechtes Theater mit der Überschrift `Tod durch Selbstmord`. Am Mittwoch gab es den Antrag einer demokratischen Partei, der angewiesen war auf die Stimmen der antidemokratischen Partei des Hasses. Und am Freitag verfehlte die CDU ihr Ziel und machte der AfD dadurch eine weitere Propaganda-Tür auf, nämlich: `Seht ihr, auf diese Lappen könnt ihr euch nicht verlassen. Ihr müsst uns noch stärker machen, damit wir in der Lage sind, diese Politik umzusetzen.` Es war eine Wahlbeschleunigungswoche für die AfD.”
Laut Friedmann hätten mehrere Parteifreunde zunächst versucht, ihn zum Bleiben zu überreden. Es gebe allerdings auch Menschen in der Partei, in der Führung wie an der Basis, die froh über seinen Austritt seien, sagte er dem “Tagesspiegel”. Er habe in den vergangenen Tagen Mails erhalten von Menschen, die sinngemäß sagten: “Endlich bist du weg. Warum erst jetzt?”
Friedman selbst sagte hierzu, er repräsentiere nun einmal nicht den konservativen Flügel von Roland Koch, Friedrich Merz und anderen. Sein Austritt solle auch ein Zeichen sein, besonders an die Jüngeren: “Dass es nämlich rote Linien gibt, für jeden Menschen sind dies andere. Und wenn Deine eigene rote Linie überschritten wird, dann sei kein Opportunist.”
Zur Frage, ob sein Austritt zum Bruch von Freundschaften geführt habe, erklärte Friedman: “Ich habe in allen demokratischen Parteien ein paar Menschen, die mir nahe sind. Diejenigen, die ich in der CDU als meine Freunde bezeichne, sind nicht deswegen meine Freunde geworden, weil wir derselben Partei angehören, sondern weil ich ihr Menschsein schätze und sie hoffentlich meines. Und ich bin überzeugt davon, dass mein Austritt überhaupt nichts an diesen Freundschaften ändert – außer dass wir jetzt darüber diskutieren.”
Zur Frage, wie fair die Öffentlichkeit gerade mit Friedrich Merz umgehe, sagte Friedman: “Es ist notwendig, dass gerade in Zeiten dieses Tabubruchs die Kritik extrem scharf ist. Aber Merz ist Demokrat, trotz allem. Persönliche Diffamierungen empfinde ich als eine große Peinlich- und Respektlosigkeit, nicht nur im politischen Betrieb. Argumente ja, Beleidigungen nein.”
Zur Frage einer möglichen Rückkehr in die CDU sagte Friedman: “Warum nicht? Jede Entscheidung, in einer Partei zu sein oder nicht, hat mit den handelnden Personen und dem Programm zu tun. Parteien sind so dynamisch, wie es das Leben ist. Die CDU und ihr Wechsel von Merkel zu Merz ist hierfür ein hervorragendes Beispiel.”
Weder Wut noch Enttäuschung hätten ihn zum Austritt bewogen, sagte Friedman: “Es war eine rationale Abwägung.” Er habe überlegt, was das Geschehene für ihn persönlich bedeute und auch für seine innere Glaubwürdigkeit. Er habe durchdekliniert, welche Folgen es hätte, würde er nicht austreten. Dass er dann zum Beispiel keine scharfe Kritik am Umgang mit der AfD mehr äußern könnte, ohne dass man ihm zu recht vorhalte, was seine eigene Partei sich geleistet habe.
“Und dann hätte ich verstummen müssen. Ich wollte und will aber nicht verstummen. Es ist genau das Gegenteil in meinem Leben: Ich will mich einmischen. Ich bin nur eine kleine, unwichtige Stimme, aber ich habe eine Stimme, und die möchte ich nutzen.”
dts Nachrichtenagentur
Foto: Michel Friedman (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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