Tausende Spezialisten verlassen Russland

Sanktionen gegen russisches Öl, Kaviar, Wodka oder die Schwächung des Finanzsystems des Landes haben womöglich nicht die verheerenden Auswirkungen wie das, womit Putin gerade zu tun hat: Er verliert seine IT-Elite. 

Sanktionen gegen russisches Öl, Kaviar, Wodka oder die Schwächung des Finanzsystems des Landes haben womöglich nicht die gewünschten Auswirkungen wie das, was ganz am Rande passiert.
Zehntausende verlassen Russland, weil sie befürchten, dass Putins Kriegsregime ihren Lebensunterhalt, ihre Berufsaussichten und ihre individuellen Freiheiten zerstören wird.

Viele Mitglieder dieser im Exil lebenden Russen sind Technologiearbeiter. Aufgrund ihrer Verflechtung mit der globalen digitalen Wirtschaft haben sie die Sanktionen und den Weggang westlicher Technologieunternehmen schnell zu spüren bekommen, und es fällt ihnen leichter, ihren Lebensunterhalt ortsunabhängig von ihrem Laptop zu bestreiten.

Bis April dieses Jahres könnten bis zu 170.000 russische IT-Spezialisten das Land verlassen, schätzt der Russische Verband für elektronische Kommunikation (RAEC).

Demnach haben bereits 50-70 Tausend IT-Mitarbeiter das Land verlassen, weitere 70-100 Tausend werden nach Hochrechnungen folgen. Der Massenexodus kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die russische Wirtschaft angesichts der schweren Sanktionen wegen der militärischen Invasion in der Ukraine zusammenbricht.
Die meisten Spezialisten wandern vor allem in die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Armenien, Georgien und das Baltikum ab.

Konstantin Vinogradov, der in London ansässige russischstämmige Chef der globalen VC-Firma Runa Capital, hat sich mit anderen Persönlichkeiten der Branche zusammengetan, um eine “Talentpool”-Website einzurichten, die kriegsgegnerischen Technologiefachkräften aus Russland, Weißrussland (das Moskaus Militärmanöver unterstützt) und der Ukraine hilft, anderswo geeignete Arbeitsplätze zu finden.

“Meistens handelt es sich um Software-Ingenieure und Datenwissenschaftler. Es gibt viele Leute von großen russischen Technologieunternehmen wie Yandex, VK, Sberbank”, so Vinogradov gegenueber Medien. “Aber es gibt auch viele von kleineren Unternehmen.”

Um die Abwanderung von IT-Mitarbeitern einzudämmen, plant das russische Ministerium für digitale Entwicklung eine Reihe von Massnahmen. So müssen diese IT-Unternehmen drei Jahre lang keine Einkommenssteuer zahlen, und ihre an der Softwareentwicklung beteiligten Mitarbeiter werden von der Wehrpflicht befreit.

Die internationalen Sanktionen haben zur Folge, dass der öffentliche Sektor Russlands mit einem akuten Computermangel konfrontiert ist, da die Rechenzentren Schwierigkeiten haben, Zugang zu Geldmitteln oder IT-Ausrüstung zu erhalten. Russland erwägt deshalb, die Ausrüstung von Unternehmen zu beschlagnahmen, die das Land verlassen haben, und den gesamten Platz in den lokalen Rechenzentren aufzukaufen.

Doch auch die anhaltende Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und die wahrscheinliche Übernahme aller verbleibenden Technologieunternehmen durch den Staat seien Gründe für die Abwanderung gewesen, sagen russische Tech-Arbeiter. “Wenn der russische Staat militaristisch wird, passieren den Russen schlimme Dinge”, heißt es.

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Sara Breitner