Russland dreht den Gashahn ab

Putin stoppt heute die Gaslieferungen durch die Nord-Stream-Pipeline. Offiziell heisst es wegen Wartungsarbeiten. Doch es gibt ernsthafte Befürchtungen, dass die Gaslieferungen an Deutschland auch zukünftig ausfallen werden.

“Der Gasstopp ist eine reale Gefahr für Deutschland. Es drohen Wirtschaftseinbruch, Jobverluste und höchste Energiepreise“, warnt der Stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn in BILD am SONNTAG.

Und tatsächlich tappt die deutsche Regierung im Dunkeln, was passieren wird, wenn die Nord Stream 1-Pipeline ihre zehntägige Wartungsphase beendet, die heute (11.07.) begonnen hat, sagte die deutsche Energieregulierungsbehörde des Landes gegenüber Reuters.

“Wie erwartet, ist Nord Stream 1 seit heute Morgen auf Null”, so Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, in einem Interview.

“Was am Ende der Wartungsarbeiten passiert, kann im Moment niemand sagen. Wir werden es frühestens einen Tag vor dem geplanten Ende wissen”, fügte er hinzu. 

Die Kritik an der deutschen Bundesregierung, dass die Abhängigkeit von russischem Gas in Berlin zu lange unterschätzt wurde, ist nicht neu. Das meiste des russischen Gases fließt durch die Pipeline Nord Stream 1, die durch die Ostsee führt. Bei rund 55 Prozent lag der Anteil russischer Gaslieferungen im vergangenen Jahr. Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges versucht die Bundesregierung Alternativen zu den russischen Gaslieferungen zu finden. Laut Wirtschaftsministerium liegen diese aber immer noch bei rund 35 Prozent. 

Vornehmlich, weil Russland die Lieferung seit einiger Zeit drastisch gedrosselt hat. Schuld sei eine fehlende Gasturbine von Siemens Energy, die in Kanada repariert wird und wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen zunächst durch die Kanadier nicht nach Russland geliefert werden sollte. Inzwischen hat Kanada auf Vorschlag der deutschen Regierung eine Ausfuhrgenehmigung für die Turbine erteilt. Jetzt kann die Gas-Turbine weiter nach Russland transportiert werden.

Doch wird Putin die Pipeline nach den vorgesehen zehn bis 14 Tagen wieder aufdrehen?  Der Kreml beteuert, dass nicht geplant sei, Deutschland den Gashahn komplett zuzudrehen. Im Gegenteil: “Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge”, heißt es aus Russland. Russland setze sein Gas nicht als politisches Druckmittel ein. Doch genau das befürchtet die Bundesregierung, die Russland wegen der Drosselung einen “ökonomischen Angriff” vorgeworfen hatte.

Im Akkord werden jetzt Gesetze erlassen, um die Energie-Knappheit und die Auswirkungen der steigenden Energiepreise abzufangen. Das bedeutet unter anderem zurück zur Kohle. Zur Stromerzeugung sollen künftig statt Gas- mehr Kohlekraftwerke genutzt werden können. Eine ökologische Kehrtwende der Regierung, denn bisher sollte im Sinne des Klimaschutzes stetig weniger Kohle verbrannt werden.

Zudem sollen angeschlagene und von russischen Gaslieferungen abhängig  Energieunternehmen staerker aus Steuergelder unterstuezt werden. Wie zum Beispiel das Unternehmen Uniper, das 9  Milliarden Euro erhalten soll, um Gas nun zu deutlich höheren Preisen auf dem Weltmarkt zu beschaffen. Experten warnen bereits, dass ein finanzieller Schutzschirm für systemrelevante Unternehmen zu gross werden kann und den Staat überfordert.

Sollten die Gaslieferungen aus der Nordstream-Pipeline auch nach den Reparaturen ausbleiben, müsste Deutschland mit den Lieferungen aus anderen Ländern und den bislang gespeicherten Gasmengen auskommen. Mit verheerenden Folgen. Laut einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos reicht das Gas innerhalb der ersten vier Wochen nach dem Lieferstopp nicht mehr für alle. Da laut Gesetz vorrangig private Haushalte, soziale Dienste und Fernwärmelieferanten versorgt würden, beträfe der Stopp vor allem die Industrie. Das kann laut Studie zu einem Konjunktureinbruch von zwölf Prozent führen. Zum Vergleich, die Corona-Lockdowns hatten einen Konjunktureinbruch von 9,7 Prozent zur Folge.

Laut CDU-Chef Friedrich Merz steuert Deutschland “möglicherweise auf die schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu”.